Abschied von Walter Winterberg

Walter Winterberg 21. Jänner 1924-17. März 2022

In tiefer Trauer geben wir bekannt, dass unser Kamerad Mag. Walter Winterberg am 17. März 2022 verstorben ist.

Geboren am 21. Jänner 1924 in Wien, wuchs er in einer sozialdemokratisch denkenden Familie auf und wurde aufgeklärt erzogen. Sein „rotes“ Umfeld, also seine Verwandten und Bekannten, beeinflusste ihn tiefgreifend. Schon in der Volksschule besuchte er statt dem Religionsunterricht den Freidenker-Unterricht und war bei den Kinderfreunden. Die Mittelschule absolvierte er während des Austrofaschismus und der Nazidiktatur, er maturierte 1942.
Ein von ihm sehr geliebter Onkel, damals schon Kommunist, wird von den Nazis umgebracht. Er wird ein Vorbild für ihn.
Nach der Matura wurde Walter durch die Nazis in einen Zwangsarbeitsdienst gesteckt.
Mit einem Freund versuchte er Anfang Jänner 1943 in die Schweiz und zum Maquis in Frankreich zu gelangen, wurde aber von der Grenzpolizei entdeckt und verhaftet. Die Gestapo transportierte ihn ins Lager Reichenau (bei Innsbruck), ein kleines Außenlager des KZ Dachau. Ende April 1944 wurde er ins KZ Buchenwald überstellt, er trug die Häftlingsnummer 22.956. Im KZ schloss er sich der illegalen Lagerorganisation der Kommunisten an.

Nach der Befreiung im April 1945 kehrte er nach Wien zurück und trat in den Polizeidienst, wo er bis zu seiner Pensionierung tätig war. Er war in der KPÖ politisch aktiv und trat konsequent für marxistische Positionen ein. Von Anbeginn war er Mitglied des KZ-Verbandes. Aus tiefster Überzeugung Antifaschist, war es ihm ein Anliegen, seine Erinnerungen weiterzugeben. Er war ein gefragter Zeitzeuge in Schulen, wo er seine Erlebnisse, verbunden mit seinem großen historischen Wissen, den Jugendlichen fesselnd vermittelte.

Eine Auswahl seiner vielfältigen Artikel, Kommentare, Analysen, Referate und Briefe findet sich in den Büchern „Gedanken zum Antikommunismus“ (2009), „Schwimmen gegen den Strom“ (2012) und „Politische Analysen eines Zeitzeugen“ (2017).

Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt seiner Familie, seinen Freunden und Weggefährten und allen, die ihn gekannt und geschätzt haben.

Stille Grüße

Esther Bejarano geb. Lewy 1924 * – 2021 †

Nach der tieftraurigen Meldung heute früh gelten unsere ganzen Gedanken und unser tiefstes Beileid Ester Bejaranos Familie und Freund*innen.

Ester Bejarano

Esther überlebte Auschwitz und Ravensbrück. Als Mitglied des Auschwitzer „Mädchenorchesters“ musste sie bei den Selektionen an der Rampe der ankommenden Züge musizieren, um den Ankommenden das Gefühl von „Normalität“ zu suggerieren.  Als die Befreier immer näher rückten, konnte sie dem Todesmarsch entfliehen. Am 3. Mai 1945 erlebte sie in Lübz (Mecklenburg- Vorpommern) die Befreiung durch die US-amerikanische Truppen.

Esther Bejarano zusammen mit ihrem Sohn Joram und Kutlu von der Microphone Mafia bei einem Konzert im Wiener EKH 2017; Foto: Bundesverband

Das Wirken von Esther war geprägt vom „Niemals vergesen!“ Ihren Satz „Ich singe, solange es noch Nazis gibt,“ dürfen wir als Auftrag für unsere Arbeit sehen. Ihr Engagement und die berechtigte Kritik am Umgang mit geflüchtenten Menschen in Europa ebenso. Wir behalten Ester Bejarano als großes Vorbild im Kampf gegen das Erstarken der Rechten und Krieg, sowie für Frieden und Solidarität, in Erinnerung.

Stille Grüße, möge ihr die Erde leicht sein.

https://www.youtube.com/watch?v=Uo0BcY3pcgk

Rudolf Gelbard (4.12.1930 – 24.10.2018)

 

Gelbard

Als Achtjähriger wurde Gelbard in der Wiener Leopoldstadt während der Pogromnacht im November 1938 schon von Nazis bedroht, vier Jahre später wurde er mit den Eltern nach Theresienstadt deportiert; die Nazis ermordeten 19 seiner Familienmitglieder. Gleich nach seiner Rückkehr 1945 musste er erste Erfahrungen mit dem Fortleben des Nazi-Ungeists in Wien machen. Schon 1946 nahmen Nazi-Studenten eine Vorlesung über die Geschichte der Juden im Mittelalter zum Anlass antisemitischer Tumulte. Rudi führte ab nun die Auseinandersetzung mit dem Neonazismus nicht mehr nur mit Worten. 1948 beteiligte er sich an der Sprengung der Gründerversammlung des „Verbands der Rückstellungsbetroffenen“ im Hotel Wimberger – mit diesem Verein wollten sich die Nazis, die jüdischen Besitz „arisiert“ hatten, dagegen zur Wehr setzen, dass sie diesen zurück geben sollten. Die ehemaligen Nationalsozialisten organisierten sich im „Verband der Unabhängigen“ (aus diesem VdU ging 1956 die FPÖ hervor). Im Februar 1955 wollte der VdU- Nationalratsabgeordnete Stüber im Hotel Münchnerhof in der Mariahilferstraße gegen die „jüdischen Forderungen an Österreich“ hetzen, während die österreichischen Rentner „hungerten“. Rudi Gelbard half tatkräftig mit, dass aus Stübers Versammlung nichts wurde.
Nach dem Abzug der Alliierten spürten die Neonazis Oberwasser. Zum 200. Geburtstag Friedrich Schillers marschierten die unterschiedlichsten Neonazi-Gruppen und „schlagenden“ Burschenschaften, teilweise in Uniform, auf, um wieder „Flagge zu zeigen“. Da die Polizei sie nicht daran hinderte, organisierten AntifaschistInnen Gegenkundgebungen – unter ihnen Rudi Gelbard, der auch an den tätlichen Auseinandersetzungen mit den Neonazis beteiligt war. Auf der Hochschule für Welthandel unterrichtete 1965 ein Professor Borodajkewicz, der seine Vorlesungen mit antisemitischen Bemerkungen „würzte“, was von den Nazi-Studenten mit johlendem Gelächter quittiert wurde – sie ließen sich von den Beifallskundgebungen für ihr Idol auch nicht abhalten, als Borodajkewicz vor laufenden Fernsehkameras sprach. Die Demonstrationen zur Abberufung des Professors durch den Unterrichtsminister und die Säuberung der Universitäten – 20 Jahre nach der Befreiung! – vom Nazi-Spuk am 29. und 31. März 1965 führten zu Straßenschlachten, an denen sich auch Rudi Gelbard beteiligte. Er musste erleben, wie ein Mitglied des Ringes freiheitlicher Studenten, Günther Kümel, vor dem Hotel Sacher den Antifaschisten Ernst Kirchweger, einen Verfolgten des NS-Regimes, erschlug. Die mit Holzlatten bewaffneten Nazi-Studenten hatten „Hoch Auschwitz!“ gebrüllt – Kirchweger löste sich aus dem Demonstrationszug, um den jungen Männern zu erklären, was für eine Ungeheuerlichkeit diese Losung war. Der Amateur-Boxer Kümel fühlte sich „bedroht“ und schlug zu. Das Gericht verurteilte ihn später wegen „Notwehrüberschreitung“…
Wenn Rudi Gelbard über diese für sein weiteres antifaschistisches Engagement entscheidenden Tage berichtete, hob er immer hervor, dass dieser Totschlag Österreich wach rüttelte und für einen kurzen Moment den antifaschistischen Konsens des Jahres 1945 wiederherstellte: Hinter dem Sarg Kirchwegers marschierte die halbe Bundesregierung, die ÖGB-Sitze und mehr als 25.000 Wienerinnen und Wiener; dieser 8. April 1965 wurde damit zur größten antifaschistischen Kundgebung seit 1945.
Vor allem seit seiner Pensionierung war Rudi Gelbard unermüdlich in Schulen unterwegs und sprach auf Kundgebungen. Er wurde zur gewichtigsten Stimme des „Bunds Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen“, wenn es um heutigen Antifaschismus und Erinnern an den Holocaust und andere Gräuel der Nazi-Diktatur ging. Der KZ-Verband fand in ihm immer einen wortgewaltigen Bündnispartner. Seit 2016 war Rudi Gelbard Ehrenmitglied des Landesverbands Wien des KZ-Verbands.
Unser Mitgefühl gilt seiner Witwe, wir teilen unsere Trauer mit den Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen und allen AntifaschistInnen.