Wir trauern um Josef Baldrman (Baldermann), Sohn des Widerstandskämpfers Josef Baldermann der gerade wenige Wochen alt war, als sein Vater von der Gestapo verhaftet wurde und letztendlich 1943 hingerichtet wurde. Laut Anklage soll er gemeinsam mit Karl Wyt der Bezirksleitung Wien-Brigittenau der KPÖ angehört haben, die damals österreichweit verboten war. Er wurde am 16. Juni 1942 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 2. März 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet. Mit ihm wurden sechs weitere Arbeiter wegen angeblichen Hochverrates hingerichtet.
2013 wurde der Gemeindebau Pasettistrasse 9–21, in Wien-Brigittenau nach Josef Anton Baldermann benannt.
Zeitlebens setzte sich Josef Baldermann jr. für die Erinnerung an seinen Vater ein und wird uns damit Vorbild bleiben. Sein Einsatz gegen das Vergessen, wird unser Auftrag bleiben.
Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt seiner Tochter, seiner Familie und seinen Freunden. Wir werden ihn in würdiger Erinnerung behalten.
Der KZ-Verband und die Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof
Totengedenken 1.11.2022, Zentralfriedhof Gruppe 40, Foto Ulli Garscha
Rede von Willi Weinert anlässlich des alljährlichen Gedenken an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer in der Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof
Vielleicht wird jemandem unter ihnen schon in den letzten 20 Jahren aufgefallen sein, dass in verschiedenen Zusammenhängen, bei denen es um die Geschichte Österreichs zwischen 1938-1945 geht, behauptet wird, dass Österreich sich nach 1945 als Opfer des NS-Regimes dargestellt hat.
Wahr sei aber, so behaupten die Apologeten dieser Opfer-Täter-Doktrin, dass Österreich nicht Opfer sondern ein Volk von Tätern war.
Es ist bemerkenswert, dass, wenn wieder einmal dieser Unfug behauptet wird, nicht einmal in einem Nebensatz die Rede darauf kommt, dass tausende Österreicher und Österreicherinnen Opfer des Naziregime wurden, weil sie aktiven Widerstand dagegen geleistet haben.
Wir stehen hier in der Gruppe 40, wo mehr als 600 dieser Opfer liegen, Menschen, die also keine Täter waren. Und die Geschichte dieses größten Erinnerungsortes in Österreich spiegelt zwei Dinge wider:
Zum einen die Tatsache, dass hier hunderte Widerstandskämpfer begraben wurden, und Zeugnis davon ablegen, dass diese Opfer-Täter-Doktrin ein faktenbefreites Konstrukt ist, und zum anderen, dass der Umgang des sogenannten offiziellen Österreichs mit diesem Gedenkort fragen lässt, wieso es sein kann, dass man seit 1945 einen so sträflichen Umgang mit dieser Gruppe 40 pflegte, wenn doch nach der Opfer-Täter-Doktrin die Opfer so in den Vordergrund gekehrt worden sein soll?
Das passt irgendwie nicht zusammen.
Wie mit der Opfergruppe und ihren Angehörigen durch den österreichischen Staat nach 1945 umgegangen ist, ist wenig bekannt. Trotz eines Opferfürsorgegesetzes waren sie, die Witwen und Waisen im Bewusstsein der naziverseuchten Gehirne vieler Österreicher letztlich die Angehörigen von Verrätern, die – ihrer Meinung nach – den kämpfenden Soldaten an der Front in den Rücken gefallen sind. Sie waren mit denselben Formulierungen konfrontiert, wie sie schon in den Todesurteilen gegen ihre Angehörigen zu lesen waren. Und es waren keine Einzelfälle, dass jene, die wegen ihrer erlittenen Verfolgung in der Nazizeit Anspruch auf den sogenannten ’Opferausweis‘ hatten, darauf verzichteten. Zu groß war der in der Mehrheitsbevölkerung vorhandene Neid und das Unverständnis, sodass diese Menschen sich nicht mit der einhergehenden Ausgrenzung konfrontieren wollten. Man verzichtete auf die ihnen gewährten Vergünstigungen, in denen die Mehrheitsbevölkerung ’Privilegien‘ vermuteten.
Die Gruppe 40 rückt mehr ins Bewusstsein
Und auch der Umgang mit dieser Gruppe 40 zeigt – sieht man von der ersten Gedenkfeier am 1. November 1945 ab, wo hier Politiker aller drei demokratischen Parteien der Opfer gedachten –, dass für das offizielle Österreich dieser Gedenkort gut 60 Jahre nicht existiert hat. Erst, nachdem 2005 – auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft der Opferverbände – die Stele im unteren Bereich der Gruppe 40 durch den Wiener Bürgermeister enthüllt wurde, und 2013 die österreichische Bundesregierung diesen Gedenkort zu einer „Nationalen Gedenkstätte“ erklärt hat, rückte deren Existenz mehr ins Bewusstsein des offiziellen Österreichs. Mehr auch nicht. Sie steht auch heute nicht auf deren Gedenkkalender.
Fehlende Gedenksteine
Als 2005 die erste Auflage des Buches „Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer“ erschien, hat sich gezeigt, dass für ca. 70 Opfer, die in der Gruppe begraben wurden, keine Gedenksteine existieren.
Warum fehlten diese?
Die Gründe dafür sind mir erst unlängst klargeworden, als ich einschlägige Archivbestände, die ich im Zuge der Vorbereitung der in Arbeit befindlichen 5. Aufgabe des Buches eingesehen habe. Auch hier zeigt sich der empathiefreie Umgang mit den sterblichen Überresten dieser Opfer der Nazibarbarei. Die Kosteneffizienz bei diesen Aktionen ist augenfällig und gleichzeitig beschämend. Man begrub hier im Zuge von Umbettungen bis zu drei Menschen in einem Schachtgrab – und in einem Sarg –, stellte aber nur einen Gedenkstein auf, der lediglich einen Namen aufwies, nicht aber die der anderen, die an der selben Stelle beerdigt worden sind – in diesem einen Sarg.
Es gibt eine Liste zu diesen Umbettungen, wo exakt angeführt ist, wie die ursprünglichen Gräber (in der Gruppe 37 oder in den beiden Reihen des gegenüberliegenden Teils der Gruppe 40) gestaltet waren, und wer darin lag. Da findet sich z.B. der Hinweis auf ein „kleines Denkmal“, doch selbiges fand bei der Umbettung nicht seinen Weg in die Gruppe 40.
Wie mag es wohl ausgesehen haben? Wohin verschwand es?
Der KZ-Verband und die Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof
Da der KZ-Verband seit 1945 sich uneingeschränkt für diese Gruppe 40 als Gedenkort für die Opfer des Widerstandskampfes eingesetzt und damit die Interessen der Angehörigen der Opfer vertreten hat, war es ihm auch ein Anliegen, die noch fehlenden Gedenksteine in der Gruppe 40 aufzustellen. 2016 war der Verband bereit, die nicht unbeträchtlichen Kosten für die ersten 10 Steine zu übernehmen und die Aufstellung in die Wege zu leiten. Voriges Jahr wurden die letzten Steine aufgestellt.
Im Zuge dieser Aktivität gelang es zum einen die beiden anderen Opferverbände in das Bemühen einzubinden, und entschloss sich in der Folge auch das Innenministerium, die Gesamtkosten der Herstellung dieser fehlenden Gedenksteine zu übernehmen.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass mit der Gestaltung der Gedenksteine – von Stein selbst, über dessen äußere Form und der darauf befindlichen Schrift – bewusst ein Zeichen gesetzt wurde, um den Eindruck eines gleichförmigen Soldatenfriedhofs zu konterkarieren. Diese Versuche begannen schon im Zuge der Umgestaltung in der 1960er-Jahren, wo massenhaft gleichförmige Betonsteine aufgestellt wurden, setzte sich fort mit der im Jahre 2000 radikal entfernten individuellen Gräber, und gehen bis heute, wo die Friedhofsverwaltung versucht, die individuelle Bepflanzung durch einen Birkenhain zu ersetzen. Auch in dieser Richtung gab es bereits Gespräche, um dem ein Ende zu setzen.
Die Individualität der Widerstandskämpfer und Widerstandskämpferinnen darf, so sind wir felsenfest überzeugt, nicht durch die Monotonie eines Soldatenfriedhofs weggewischt werden. Auch da bleiben wir dran.
Die Aufstellung der fehlenden Gedenksteine ist abgeschlossen. Nun, nach mehr als zwei Generationen seit der Befreiung Österreichs 1945, haben alle Opfer, die hier begraben wurden, ein sichtbares Erinnerungszeichen, auf dem Namen und Daten zu lesen sind.
Wenngleich damit ein wichtiger Schritt gesetzt wurde, gibt es noch Einiges, was zu lösen ist. Es mag eigenartig klingen, aber die Ersetzung der rot-weiß-roten Fahne, dort unten, bei der Stele, durch eine Flagge mit dem österreichischen Wappen konnte bislang nicht durchgesetzt werden.
Wir sind zuversichtlich, dass das demnächst geschehen wird. Vielleicht weht sie nächstes Jahr schon am Fahnenmast die Flagge Österreichs, einer „Nationalen Gedenkstätte“ würdig.
Nicht unerwähnt soll auch bleiben, dass die Opferverbände nun mit einer eigenen Website für die Gruppe 40 vom Innenministerium befasst wurden, die den Vertrag mit dem jetzigen Betreiben aufgelöst hat. Demnächst wird sie nach der Klärung von rechtlichen Fragen in einem ersten Schritt online gehen.
Heuer fand der Kongress unter der Fragestellung „Anti-fascism today and the danger of right-wing politics in Europe“ statt. Trotz Abwesendheit wollten wir uns nicht die Gelegenheit nehmen lassen ein paar Grußworte an unsere Kamaraden und Kamaradinnen in Beograd zu richten. Hier könnt ihr unseren Beitrag auf Deutsch und Jugoslovenisch nachlesen:
Jugoslovenisch
Poštovani drugovi i drugarice,
hvala na pozivu na ovaj antifašistički kongres. Nažalost nismo uspjeli doći do vas – ali šaljemo Vam srdacne pozdrave kroz ovaj naš izveštaj o stanju u Austriji.
Svijet je u krizi. Kriza koja posebno pogađa mlade: klimatska katastrofa, besperspektivnost i ekonomska nesigurnost. Mladi ljudi u Europi su u prvom redu zabrinuti zbog nepoštovanja i krštenja demokratskih principa i socijalni nejednakosti i razlika. Sve su to rezultat desničarske politike. To se dešava i kod nas u Austriji: od 2017 godine desničarska stranka “FPÖ” ponovno je na vlasti. I ako nije više na vlasti zbog optužbi za korupciju i podmičivanje, stranka ponovo ima dobre rezultate u anketama. Desničarski pokreti dobivaju sve veću podršku i imaju sve više pristalica u narodu. I to ne samo u Austriji i Europi, nego i u cijelom Svetu.
U tom kontekstu antifašistički pokreti su glavni cilj napada desničarske politike i nedemokratskih pokreta u Austriji. Jedan primjer je optužba prošle sedmice. Tada su šest mladih antifašista osuđeni po pet mjeseci, a jedan na 14 mjeseci zbog udruživanja u kriminalnu organizaciju. Samo zato što su u 2020 godini učestvovali u demonstracijama protiv fašistički organizacija u Beču. Istovremeno podoficir naše vojske po drugi put šeta u SS uniformi po selu. Poslje prvok delikta osuđen je na 10 mjeseci i nije izgubio posao u austrijskoj vojski. Političari, pravosuđe i izvršna vlast poduzimaju oštre mjere protiv ljevičarskih pokreta i istovremeno zatvaraju oči pred desničarskim aktivitetima.
Ali postoji i nada: mladi uzvraćaju otpor! Antifašističke organizacije su u porastu i sve više okupljaju mlade ljude. Informiraju se i kritikuju postojeći politički sistem na vlast, ali prije svega izlaze na ulicu i aktivno se bore za demokratiju. To se isto dešava u cijelom svijetu: u Iranu nove proteste protiv režima mladi aktivno učestvovaju.
Mi kao antifašističke organizacije trebamo se sto više angažovati da te mlade ljude okupljamo i izvještavamo o trenutnoj situaciji u kojoj se nalazimo. Mi se već godinama aktivno angažujemo u organizaciji i učestvujemo u antifašističkim protestima u našoj zemlji. Rezultat našeg rada je da se broj naših mladih članova stalno povećava. Neki od njih već zauzimaju važne pozicije u našoj organizaciji. Posebno smo zadovoljni što možemo vam predstaviti naš projekat za pomoć mladima za aktivnostima u antifašističkog otpora: kroz Memorijalnu nagradu Ernst Kirchweger, mladi do 25 godina mogu prezentirati i dobiti nagradu za antifašističke projekte i radove. Prošle godine smo prvi put dodijelili tu nagradu. Ova nagrada je inspiracija da se mladi ljudi sto više angažuju protiv fašizma.
Svjesni smo da je ovo tek prvi korak. Pred nama je još puno posla. U vrijeme krize moramo se još više angažovati u otporu protiv fašizma i demokratski pokreta. To radimo za ovu i buduće generacije.
Hvala i srdačan pozdrave iz Beča. Smrt fašizmu, sloboda narodu.
Deutsch
Liebe Kamaradinnen und Kamaraden,
danke für die Einladung zu diesem antifaschistischen Kongress. Wir freuen uns als österreichische Delegation teilnehmen zu dürfen. Mein Name ist Vedrana Covic und ich bin mit meinem Kollegen Ernst Wolrab hier hergekommen um den KZ-Verband zu repräsentieren. An dieser Stelle muss ich die Vorsitzende Dagmar Schindler entschuldigen, da sie aufgrund der Vorbereitungen zum Gedenken im Rahmen des österreichischen Nationalfeiertags leider zuhause bleiben musste.
Die Welt ist in einer Krise. Eine Krise die besonders der Jugend betrifft: Klimakatastrophen, Perspektivlosigkeit und wirtschaftliche Unsicherheit. Aber vor allem eine Abkehr von demokratischen Strukturen und damit aufkommende soziale Ungleichheiten beschäftigen junge Menschen in ganz Europa. Das alles sind Nährböden für rechte Politik und Gruppierungen. Das merkt man auch in Österreich: seit 2017 saß mit der FPÖ wieder eine rechte Partei in der Regierung. Trotz dem Ausscheiden aus der Regierung aufgrund von Korruptionsvorwürfen erstarkt die Partei gerade wieder in den Umfragen. Auch außerhalb der parlamentarischen Politik gewinnen rechte Bewegungen an Bedeutung und Größe. Nicht nur in Österreich und nicht nur in Europa.
Dabei ist gerade die antifaschistische Bewegung im Visier rechter Politik und dem undemokratischen Treiben in Österreich. Letzte Woche sind 6 junge Antifaschist:innen aufgrund der Anschuldigung zur Vereinigung zu einer kriminellen Organisation zu 5 Monaten verurteilt worden, einer sogar zu 14 Monaten. Nur weil sie bei Protesten 2020 teilgenommen hatten. Währenddessen geht ein Unteroffizier zum wiederholten Mal mit einer SS-Uniform spazieren. Beim ersten Mal wurde er zu 10 Monaten verurteilt und durfte so seine Stellung im österreichischen Militär behalten. Politik, Justiz und die Exekutive gehen scharf gegen linke Demonstrationen vor und sehen gleichzeitig bei rechten Umtrieben weg.
Aber es gibt auch einen Lichtblick: die Jugend wehrt sich! Nicht nur Klimaproteste haben starken Zustrom von jungen Menschen. Auch der antifaschistische Protest wächst stetig an – und wird immer jünger! Der Widerstand ist Jung. Sie bilden sich, hinterfragen, üben Kritik am derzeitigen System, aber vor allem gehen sie auf die Straße und beteiligen sich Aktiv an der Demokratie. Das zeigt sich auch weltweit: die neuen Proteste im Iran werden von jungen Menschen getragen. Warum das so ist, ist ganz klar: Wer keine lebenswerte Zukunft sieht, hat auch nichts mehr zu verlieren.
Es ist Zeit genau diese treibende Kraft als antifaschistische Organisationen aufzugreifen. Wir betreiben bereits seit Jahren aktiven Antifaschismus und beteiligen uns nicht nur an Protesten, sondern organisieren diese auch mit. Seither wächst die Zahl unserer jungen Mitglieder stetig an – einige füllen bereits wichtige Funktionen. Doch besonders glücklich sind wird euch unser Projekt zur direkten Förderung von antifaschistischer Jugendarbeit vorstellen zu dürfen: Mit dem Ernst-Kirchweger-Gedenkpreis haben junge Menschen unter 25 Jahren die Möglichkeit ihre antifaschistischen Projekte und Aktionen fördern zu lassen. Die erste Verleihung fand 2021 statt. Wir sehen damit eine Möglichkeit nicht nur Antifaschismus zu Unterstützen, sondern vor allem junge Leute mit ihrer politischen Energie zu stärken oder sie gar zu inspirieren.
Uns ist bewusst, dass dies nur der erste Schritt ist. Vor uns liegt noch viel Arbeit. In Krisenzeiten müssen wir uns umso mehr gegen den undemokratischen und faschistischen Aufschwung wehren. Auch für und mit der nächsten Generation.
Stellungnahme zum Urteil gegen 6 Antifaschist:innen vom 20. Oktober 2022
2020 kam es bei drei Demonstrationen gegen die rechtsextremen Identitären zu kleineren Auseinandersetzungen, wie einer Ohrfeige oder einem Handgemenge – nicht ungewöhnlich bei politischen Aktionen. Das reichte der österreichischen Polizei und Staatsanwaltschaft wohl, um gegen sieben Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Demonstrationen Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Sprengung einer Versammlung, Sachbeschädigung und Körperverletzung zu erheben. Von Anfang an war erkennbar, dass es sich hier um einen politischen Prozess handelt, obwohl die Richterin dies verneint – bereits durch die überzogenen und unverhältnismäßigen Ermittlungsverfahren gegen die Antifaschist:innen. Sie wurden nicht nur monatelang polizeilich beobachtet, sondern auch auf offener Straße, in der U-Bahn oder auf dem Arbeitsplatz brutal festgenommen oder durch die Cobra – bewaffnet mit Sturmgewehren – für eine Durchsuchung zuhause besucht. Überzogen war das deswegen, weil sogar der bei den Auseinandersetzungen anwesende Polizist nicht genau gesehen hat, ob die Angeklagten tatsächlich gewalttätig waren. Überzogen auch, weil man sich nicht vorstellen kann, dass eine Bürgerin oder ein Bürger aufgrund einer Ohrfeige monatelang beschattet und schwer bewaffnet untersucht wird. 2020 gab es im Allgemeinen viele linke Proteste, bei denen es zu massiver Repression seitens der Polizei und Justiz kam. Bei antifaschistischen und linken Protesten wird jede Gelegenheit genutzt diese zu kriminalisieren.
Das ist seit 2014 traurige Routine in Österreich geworden. Angefangen hat es mit dem ‚Fall Josef S.‘. Der Student aus Jena wurde wegen des Aufstellens eines Mülleimers zu 12 Monaten verurteilt. Er hatte davor 4 Monate in Untersuchungshaft gesessen und wurde wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt. Dabei waren die Beweise sehr mager, und die Angeklagten wurden aufgrund von Kleidungsstücken „überführt“ – Kleidungsstücken aus Massenproduktion. Dabei verzetteln sich die Polizisten bei ihren Aussagen oder widersprechen ihren Kollegen.
Das sind jedoch bei weitem nicht alle Fälle: Dutzende kleinere Gerichtsverfahren und Anzeigen gab es in der Zwischenzeit gegen einzelne Antifaschist:innen – von der Polizeigewalt gar nicht zu reden. Doch die Repressalien betreffen auch Klimademonstrationen, Tierrechts-organisationen und Fußballfans – Strukturen, die stark mit der linken Szene verwoben sind. Einer der absurderen Fälle war eine Verurteilung zu einer Geldstrafe aufgrund des „Anfurzens“ eines Polizisten. Doch über Beweiswürdigung zu diskutieren, ist im Fall eines politischen Prozesses hinfällig – das Urteil ist bereits vorher gefallen. So äußern sich auch Prozessbeobachter, Anwälte und Politiker:innen.
Der politische Charakter, dem die österreichische Justiz und Polizei hier folgt, zeigt sich ebenfalls auf der anderen Seite des aktivistischen Spektrums: Rechtsextreme Proteste werden von der Polizei geschützt, und Prozesse gegen Rechtsextreme oder gewalttätige Polizisten gehen in den seltensten Fällen mit einer Verurteilung oder einem hohen Strafmaß aus. Rechte Demonstrationen und solche von Corona-Leugnern erfahren kaum Polizeigewalt. Aber weder Polizei noch Justiz wurden tätig bei den Morddrohungen gegen Frau Dr. Lisa-Maria Kellermayr. Ebenso schockierend aber dem politischen Charakter entsprechend ist der Fall jenes Unteroffiziers, der in SS-Uniform spazieren ging: Bei der letzten Verurteilung erhielt er 10 Monate, durfte jedoch damit seine Anstellung beim Militär behalten.
Das hier sichtbare Muster zeichnet sich deutlich ab: Österreichs Polizei und Justiz sind am rechten Auge blind und gehen gleichzeitig gegen linke und antifaschistische Bewegungen scharf vor. Diese Entwicklung startete bereits mit den Reformen unter Schwarz-Blau 1 ab dem Jahr 2000: Der Staat und seine Organe unterliegen einem starken Rechtsruck. Das ist eine undemokratische Entwicklung, die sich besonders unter dem Aspekt der weltweiten Krisen verdächtig gefährlich anfühlt. Bereits lange schreien Opfer- und Widerstandsverbände: Wehret den Anfängen! Zwar waren die Strafen zu austrofaschistischen Zeiten viel drastischer – jahrelange Kerkerstrafen oder Hinrichtungen – doch das Schema war das gleiche: Auch damals waren Justiz und Polizei geneigt, linke Bewegungen härter zu behandeln und zu verurteilen als rechte und faschistische Machenschaften – unter ebenso unvorstellbar absurden Gerichtsverfahren wie heute.
Und so müssen sechs der sieben Antifaschist:innen eine Strafe von 5 Monaten – eine Person sogar 14 Monate bedingt – aus politischem Kalkül ertragen, stellvertretend für alle Antifaschist:innen. Es ist daher unsere Aufgabe; gemeinsam gegen den Rechtsruck mit aktivem Antifaschismus und demokratischem Protest zu antworten und uns nicht einschüchtern zu lassen! Niemand ist frei, bis alle frei sind.
Auch heuer haben wir als KZ-Verband Wien zum Todestag am 02. April des Antifaschisten Ernst Kirchweger im Urnenhain des Zentralfriedhofs in WIen gedacht.
Friedl Garscha erzählt über die Ereignisse, die zum Tod von Kirchweger geführt haben und über den Antifaschisten selbst