„Mein Kopf wird euch auch nicht retten“

Datum / Uhrzeit
26.10.2016
15:00 - 16:30


Buchvorstellung
»Mein Kopf wird euch auch nicht retten« — Briefe österreichischer Widerstandskämpfer und Widerstandskämpferinnen
Herausgegeben von Lisl Rizy und Willi Weinert

Das Buch wurde von den drei Opferverbänden gefördert. Träger der von den beiden Herausgebern gestalteten Veranstaltung sind neben dem KZ-Verband Wien das Lan­desgericht, die ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und das DÖW.

15 Uhr, Großer Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen, 1080 Wien Landesgerichtsstraße 11 (Eingang Frankhplatz/Alserstraße)

„Mein Kopf wird euch nicht retten“, sagte Franz Strohmer jenem Kollegium im Hinrichtungs­raum des Wiener Landes­gerichts, das ihm gerade die Ablehnung seiner Begnadigung und den Vollzug des Todesurteils mitgeteilt hatte. Sekun­den spä­ter fiel sein Kopf. Ca. 600 österrei­chische Wider­stands­kämpfer und Widerstandskämpferinnen starben im Wiener Landesgericht unter dem Fallbeil, Hunderte wurden auch an anderen Orten hingerichtet.
In der Literatur über den Widerstandskampf in Österreich wird dieser vorwiegend durch die Veröffentlichung von Dokumenten der NS-Behörden (Gestapoberichte, Verhör­pro­tokolle, Anklageschriften, Urteile) dargestellt. Nur in wenigen Publikationen kamen die Menschen selbst zu Wort. Auch von denen, die die Verfolgung und die Haft überlebt hatten, haben nur wenige Erinnerungen verfasst, die auch publiziert wurden.
In diesem umfassenden Werk zum österreichischen Wider­stand finden sich erstmals in solch einer Breite Hunderte Briefe, teilweise auch Korrespondenzen. Sie spiegeln den letzten Lebensabschnitt dieser Menschen zwischen deren Verhaftung und Hinrichtung wider.
Ergänzt werden diese Briefe nicht nur mit den Biogra­fien, sondern auch mit vielen Fotos von den Ermorde­ten und ihren Familien, ebenso geben Dutzende Behör­den­doku­mente Einblick in das System der Verfolgung und Ermor­dung der Widerstandskämpfer und Wider­stands­kämpferinnen.
Beim Lesen all der sehr unterschiedlichen (in Sprache und Temperament) Postarten, Briefe oder ge­heim ge­schriebenen Kassiber muss man bedenken, dass sie eine der wichtigsten Formen der Kommu­nikation der Gefan­genen mit ihren Angehörigen, aber auch innerhalb des Gefängnisses waren. Die offizielle schriftliche Kom­mu­nikation unterlag der Zensur und war in ihrer Fre­quenz beschränkt. Der Inhalt der Nachrichten reichte von Bitten um Utensilien, die den Gefängnisalltag betrafen (Seife, Wä­sche, Rasierapparat usw.) bis hin zu Schil­de­rungen des Lebens im Gefängnis, bis zu den Reflexionen über das Leben in den Abschiedsbriefen der zum Tode Verurteilten. Die Korrespondenzen sind auch Spiegel­bild der Lebensumstände der Familien, der Einschrän­kun­gen, der Auswirkungen des Krieges, aber ebenso der zwischenmenschlichen Beziehungen in­ner- und außerhalb der Kerkermauern. Sie sind die letzten Zeugnisse im Leben von Men­schen, von denen die meisten bis zum Gang in die Todeszelle hofften, wieder zu ihrem Leben und zu ihren Lieben zurückkehren zu können.
Der — in diesen Briefen häufig zu findenden, Zuversicht beschwörenden — Floskel „Kopf hoch“ stand mit wenigen Ausnahmen das Gegenteil gegenüber. Die in diesem Buch abge­druckten Briefe stammen größ­tenteils aus Privatbesitz und werden hiermit erstmals zu­gänglich gemacht. Besonders seien auch je­ne Briefe erwähnt, die von den Gefangenen an ihre Angehörigen geschrieben, aber von der Justiz wegen deren Inhalt einbehalten wurden. Dar­unter auch Abschiedsbriefe, die die Adressaten nie er­reichten. Sie kamen zu den Akten und wurden im Zuge der Recherchen gefunden und sind jetzt in diesem Buch zugänglich gemacht.
Der 1945 wiedererstandene Staat Österreich — der diesen Menschen viel zu verdanken hatte — er­warb sich mit der Würdigung dieser Opfer keine Lorbeeren. Das Buch möge dazu bei­tragen, das An­denken an diese Menschen zu bewahren, die Widerstand gegen das NS-Regime leisteten und von der NS-Justiz in hoher Zahl ermordet wurden.