Datum / Uhrzeit
26.03.2014
18:00 - 21:00
Filmvorführung „Der gewöhnliche Faschismus“
Einleitung: Friedl Garscha
Ort: Lassallestraße 40, Stiege 2, Tür 6 (2. Stock, kleiner Lift vorhanden)
Plan: siehe Kontakt
Eintritt frei
Produktion: Mosfilm
Regie: Michail Romm
Drehbuch: Michail Romm, Maja Turowskaja, J. Chanjutin
Kamera: German Lawrow, S. Minervin
Musik: A. Karamjanow
UdSSR 1965, 138 Minuten
Jahrzehnte, bevor der amerikanische Historiker Christopher Browning sein vielbeachtetes Buch über „Ganz normale Männer“, die plötzlich zu Massenmördern wurden, schrieb, trieb den sowjetischen Regisseur Michail Romm (1901–1971) bereits die Frage um, wie aus zivilisierten Menschen gewöhnliche Faschisten werden.
Als Romm Mitte der 1960er Jahr diesen Film schuf, hatten die europäischen Gesellschaften in Ost und West gerade begonnen, die Folgen des Zweiten Weltkrieges zu überwinden. In der UdSSR und in den Volksdemokratien war der Faschismus als Bedrohung allerdings weiter präsent: Die Mehrheit der Menschen hatte diese barbarischste Form kapitalistischer Herrschaft noch am eigenen Leib miterlebt – sei es während des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs, sei es unter dem Terror der Kollaborateure in der eigenen Bevölkerung. Antifaschistische Propaganda bedeutete für Kommunistinnen und Kommunisten, vor allem im Kalten Krieg, den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus zu verdeutlichen. In Westeuropa lautete die offizielle Doktrin hingegen: Faschismus sei, ebenso wie der Kommunismus, eine Form „totalitärer Herrschaft“. Das hieß umgekehrt: Was Kommunisten über den Faschismus sagen, sei nur der Versuch, die eigenen Verbrechen zu vertuschen, die eigene Bevölkerung müsse daher vor solcher „Indoktrinierung“ geschützt werden. Zensur im Namen der Demokratie sozusagen…
Romms sowohl als historisch-politische Analyse als auch als Filmkunstwerk großartiger Film vertrug sich schlecht mit solcher Schwarz-Weiß-Malerei. Dass die sowjetische Zensur das dazugehörende Buch nicht zuließ, ist ein Zeichen dafür, welche Widerstände gegen eine differenzierte Sicht auf den Faschismus zu überwinden waren – dass der Film in der UdSSR von -zig Millionen Menschen gesehen wurde, dass bereits unmittelbar nach der Premiere in der Sowjetunion von der DEFA eine synchronisierte deutsche Fassung produziert wurde, die in der DDR einen Filmpreis erhielt: all das beweist, dass diese Auseinandersetzung möglich war und auch geführt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Film einige Jahre später zwar im Fernsehen gezeigt, aber gekürzt und mit einer Einleitung, die ins „freiheitlich-demokratische“ Weltbild der BRD passte. Trotzdem gab es wütende Reaktionen Kalter Krieger über derartige Sendungen „aus der jüdisch-kommunistischen Giftküche“. Erst in den 1990er Jahren zeigte das bundesdeutsche Fernsehen erstmals die DEFA-Fassung.
Zwei Millionen Meter deutsches Filmmaterial (nicht nur von Wochenschauen) hatte das Team um Regisseur gesichtet. „Durch das Hinzuziehen verschiedenster Fotodokumente und einer auf Kontrasten beruhenden, mit stark subjektiven Kommentaren versehenen Filmmontage gelang es auf eine für damalige Verhältnisse völlig neuartigen Weise, […] ein stark psychologisierendes Portrait des Nationalsozialismus zu schaffen, dessen Wirkung sich auch der heutige Betrachter bisweilen kaum entziehen kann“, schrieb der Historiker Lars Karl von der Berliner Humboldt-Universität 2009 in einer Rezension.
Text: Friedl Garscha