Helga Luhan, die mit ihren Eltern in Wien-Döbling lebte, ging in die Unterstufe der Mittelschule, als Österreich von Nazideutschland annektiert wurde. Ihr Vater, der von den NS-Rassegesetzen bedroht wurde, bemühte sich um eine Genehmigung nach Australien auswandern zu können. Die bekam er auch, doch als die Familie alles gepackt hatte, und am 1. September das Visum erhalten hatte, begann der Krieg und kein Schiff fuhr mehr ab. Obwohl sie die Absicht hatten, dem Vater nach Australien zu folgen, sobald dieser dort Fuß gefasst hatte, blieb es bei dieser Absicht und beide lebten weiter in Wien. Aus der Wohnung in Döbling mussten sie ausziehen – auch sie wurde arisiert – fanden aber Unterschlupf bei einem Bekannten, bei dem sie bis zum Kriegsende wohnen konnten. Dem Mädchen Helga Luhan, die von der Nazigesetzgebung zur Halbjüdin gemacht wurde, war der Besuch der Mittelschule untersagt, und so schaute ihre Mutter, dass sie ihr auf anderem Weg jene Dinge lehren konnte, die sie für wichtig hielt.
Frau Luhan erzählte bei ihrem Besuch im KZ-Verband Wien auch von der Bekanntschaft zur Familie des später hingerichteten Wolfgang Pogner, mit dem sie befreundet war. Der junge Chemiker, der damals in einer Wiener Lackfabrikarbeitete, schrieb antinazistische Streuzettel. Sein Verhängnis war, dass er einmal bei einem Bäcker seine Brieftasche liegen gelassen hatte, worin sich diese Streuzettel befanden. Vom Bäckerwurde er denunziert und wenig später von der Gestapo verhaftet. „An die Wiener Arbeiter und Arbeiterinnen! – Nieder mit den nazistischen Blutsäufern!“ lautete einer dieser Streuzettel der vom Volksgerichtshof als „Vorbereitung zum Hochverrat“ gewertet wurde. Wolfi Pogner wurde zum Tode verurteilt und am 5. Dezember 1944 – zwei Wochen vor seinem 21. Geburtstag – im Wiener Landesgericht geköpft.
Willi Weinert, der das Gespräch mit Frau Luhan führte, zitierte auch einige Passagen aus dem Tagebuch, das Helga Luhan 1944 zu führen begonnen hatte, um so ihrem Vater später etwas über das Leben in Wien mitteilen zu können. Sehr akribisch hielt sie Dinge fest, die für sie damals wichtig waren. Aussagekräftig auch ihre Schilderungen über das Kriegsende in Wien und die Befreiung durch die Rote Armee, über die Schwierigkeiten des Lebens in Wien nach 1945 und ihren Aktivitäten bei der FÖJ.
Nach dem Krieg konnte sie die Matura nachholen und ein Dolmetschstudium absolvieren. Die beiden Sprachen Französisch und Russisch prägten ihr weiteres Leben. Als Dolmetscherin in einem USIA-Betrieb vertiefte sie ihre Beziehungen zur Sowjetunion, die – mit allen Höhen und Tiefen – bis in die Jetztzeit für sie eine große Rolle spielen.