Die Gaskammer von Mauthausen und § 3g des Verbotsgesetzes

Am 27. April 1945 erließ die in Wien gebildete Provisorische Regierung die Unabhängigkeitserklärung. Im Reichsgau „Oberdonau“ befielt Nazi-Gauleiter Eigruber, am nächsten Tag 43 politische Häftlinge in der Gaskammer umzu­bringen, „damit die Alliierten in den Alpengauen keine aufbauwilligen Kräfte vorfinden.“ Nur einer konnte gerettet werden; an die 42 Ermordeten er­in­nert eine Gedenktafel an der „Klagemauer“ der KZ-Gedenkstätte, vor der jedes Jahr eine Kundgebung des KZ-Verbands stattfindet.

Aus der Web-Site Forum OÖ Geschichte des OÖ Landesarchivs:
Erst danach „ließ die SS die technischen Einrichtungen der Gaskammer demontieren und be­lastendes Material verbrennen, um am 2. und 3. Mai das Lager zu verlassen und die Bewachung der Wiener Feuerschutzpolizei zu übergeben“.

„Der Standard“ (2.11.2016) zur Vorgeschichte:

Ein 33-Jähriger stand kürzlich wegen Wiederbetätigung vor Gericht. Grund war ein hasserfülltes Posting im Internet, in dem er die NS-Zeit zurücksehnt und erklärt, er würde als „erster Heizer in Mauthausen“ zur Verfügung stehen. Das Verfahren endete mit einem Freispruch für den Angeklagten – und einer Anklage gegen seinen Verteidiger.
Der Anwalt – der zuvor in erster Linie mit Zivilrechtssachen befasst war – hatte in seinem Schlussplädoyer nämlich unter anderem dargelegt: „Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasungen und Verbrennungen stattgefunden haben. Was man seinerzeit in Mauthausen zu Gesicht bekommen hat, ist eine sogenannte Gaskammer, die nachträglich eingebaut wurde. Unbekannt ist, ob dort jemals eine Gaskammer vorhanden war.“

Danach führte er noch kurz aus, dass in der Tötungsanstalt Hartheim Vergasungen erwiesen seien, im Konzentrationslager Mauthausen nicht.
Mit der Causa wurde der Weisungsrat im Justizministerium befasst – ein unabhängiges Gremium, das Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) Anfang des Jahres installiert hat, damit es ihn in Weisungsfragen berät. Um den Ruch politischer Einflussnahme zu neutralisieren, erklärte er, sich an die Empfehlungen des Gremiums stets halten zu wollen.
In der gegenständlichen Causa, die dem Weisungsrat als „Fall außergewöhnlichen Interesses“ vorgelegt wurde, entschied der Beirat, dass die Staatsanwaltschaft Wels zurückgepfiffen und die Anklage eingestellt gehört.
„In einem anderen Zusammenhang können diese Aussagen sehr wohl eine gröbliche Verharmlosung der Gräuel des Nationalsozialismus darstellen“, sagt Werner Pleischl, Vorsitzender des Weisungsrats im Gespräch mit dem STANDARD, „doch dieser Anwalt ist noch nie durch rechtes Gedankengut aufgefallen, und er hatte die Aufgabe, jemanden wegen einer wesentlich gröberen Aussage zu verteidigen.“ Darüber hinaus sei das Plädoyer verschriftlicht im Protokoll eineinhalb Seiten lang, nun betroffen seien wenige Sätze. Der Impetus des Pflichtverteidigers sei bestimmt nicht die Leugnung des Holocausts gewesen, sagt Pleischl. „Ich bin überzeugt, er wäre in einem Strafverfahren dafür nicht verurteilt worden.“
Viele sind da anderer Meinung: Die Grünen bezeichnen die Aufhebung der Anklage als „inakzeptabel und unverständlich“ und haben bereits eine parlamentarische Anfrage zum Thema angekündigt. Das Mauthausen Komitee Österreich und antifaschistische Netzwerke sprechen vom „Abwürgen“ eines berechtigten Verfahrens und von „Verharmlosung“.
Am Dienstag [1.11.] hat sich dann das Justizministerium selbst eingeschaltet: Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion, erklärte im Ö1-Morgenjournal er halte die Entscheidung des Weisungsrates für falsch. Der Fall hätte vor einem Geschworenengericht entschieden werden müssen. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) meldete sich via Facebook: „Es ist für mich inakzeptabel, dass Massenmord und Gaskammern im größten Konzentrationslager Österreichs geleugnet werden.“
Minister Brandstetter verteidigt hingegen die umstrittene Entscheidung des Weisungsrats: Sie sei „vertretbar und plausibel“, wenngleich klar sei, „dass ich mit solchen Entscheidungen keine Freude habe“, äußerte er sich am Mittwoch vor dem Ministerrat zur Causa.

In der von Generalprokurator Werner Pleischl vorgetragenen Begründung des Weisungsrates für seine Empfehlung hieß es, der Verteidiger habe ein oder zwei Sätze gesagt, die historisch falsch sind, aber nicht den Holocaust an sich geleugnet“. Und was steht im Gesetz?

3h Verbotsgesetz lautet:

Nach § 3g wird auch bestraft, wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, daß es vielen Menschen zugänglich wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu rechtfertigen sucht.

Die Menschenvernichtung in Mauthausen zu leugnen ist zwar – da mag der Generalprokurator Recht haben – keine „Leugnung des Holocaust an sich“, aber das Verbotsgesetz sieht wortwörtlich die Bestrafung von Personen vor, die „auf eine Weise, daß es vielen Menschen zugänglich wird“ den NS-Völker­mord „oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlich­keit leugnet“ oder „gröblich verharmlost“. Was soll die Infragestellung der Gaskammer in Mauthausen denn sonst sein?
Ein Verteidiger, der auf diese Weise die Interessen seines Mandaten zu wahren versucht, schießt nicht übers Ziel hinaus, wie der Herr Generalprokurator meint, sondern identi­fiziert sich mit der strafbaren Handlung seines Mandaten und gehört daher selbst auf die Anklagebank!