Schändung des Andenkens der in der Mauthausener Gaskammer ermordeten KZ-Häftlinge

Nach Hasspostings im Internet: Prozess in Wels. Im Prozess identifiziert sich der Verteidiger mit dem Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft will Anklage erheben. Der Weisungsrat des Justizministeriums „ersucht“ die Staats­anwaltschaft, das Verfahren einzustellen!

Protesterklärung des KZ-Verbands:

Der KZ-Verband reagiert mit Fassungslosigkeit und Empörung auf den eben erst wieder erbrachten Beweis, dass es in Öster­reich trotz einschlägiger Gesetze möglich ist, die im KZ Maut­hausen begangenen Verbrechen straflos zu leugnen. Wenige Tage vor der Befreiung, am 28. April 1945, wurden in der Gas­kammer des KZ Mauthausen noch 42 österreichische Anti­fa­schisten ermordet. Die obersten Organe der österreichischen Justiz finden, dass ein Verteidiger, der diese Morde in der „so genannten Gaskammer“ als „strittig“ bezeichnet, halt ein biss­chen „übers Ziel hinausgeschossen“ hat.
Im Namen der Angehörigen dieser Ermordeten protestieren wir aufs Schärfste gegen die Tolerierung dieser Lügenhetze in österreichischen Gerichtssälen.
Es ist noch kein ganzes Jahr her, dass sich das Justizministe­rium vom Minister abwärts betroffen darüber zeigte, dass eine junge Grazer Staatsanwältin ein Strafverfahren gegen einen rechtsextremen Artikelschreiber eingestellt hatte, der befreite Mauthausen-Häftlinge als „Landplage“ beschimpft hatte. Als Konsequenz verfügte Justizminister Brandstetter, dass junge Staatsanwälte künftig besser geschult werden sollen.
Schon damals wiesen die Opferverbände darauf hin, dass der eigentliche Skandal darin besteht, dass die übergeordneten Organe die Einstellung des Strafverfahrens billigten und der Rechtsschutzbeauftragte (!) des Justizministeriums sich der Meinung des Artikelschreibers ausdrücklich anschloss.
Auch der neueste Skandal wurde von einer Einrichtung des Justizministeriums – dem so genannten Weisungsrat – ver­ursacht: Die Staatsanwaltschaft Wels leitete gegen jenen Rechtsanwalt, der Gaskammer und Krematorium im KZ Maut­hausen in Frage stellte, ein Verfahren gemäß NS-Verbotsgesetz ein und hat dieses nun auf Empfehlung des Weisungsrates eingestellt.
Diesmal ist es nicht möglich, die Weigerung der Justiz, gegen die rechtsextremen Hetzer die Gesetze anzuwenden, an eine unerfahrene Staatsanwältin zu delegieren: Die abenteuerliche Begründung des Weisungsrats kam vom Generalprokurator der Republik Österreich. Welche Konsequenz wird Justizminister Brandstetter diesmal ziehen?

Zusätzliche Informationen:
Die Gaskammer von Mauthausen und § 3g des Verbotsgesetzes

Die Gaskammer von Mauthausen und § 3g des Verbotsgesetzes

Am 27. April 1945 erließ die in Wien gebildete Provisorische Regierung die Unabhängigkeitserklärung. Im Reichsgau „Oberdonau“ befielt Nazi-Gauleiter Eigruber, am nächsten Tag 43 politische Häftlinge in der Gaskammer umzu­bringen, „damit die Alliierten in den Alpengauen keine aufbauwilligen Kräfte vorfinden.“ Nur einer konnte gerettet werden; an die 42 Ermordeten er­in­nert eine Gedenktafel an der „Klagemauer“ der KZ-Gedenkstätte, vor der jedes Jahr eine Kundgebung des KZ-Verbands stattfindet.

Aus der Web-Site Forum OÖ Geschichte des OÖ Landesarchivs:
Erst danach „ließ die SS die technischen Einrichtungen der Gaskammer demontieren und be­lastendes Material verbrennen, um am 2. und 3. Mai das Lager zu verlassen und die Bewachung der Wiener Feuerschutzpolizei zu übergeben“.

„Der Standard“ (2.11.2016) zur Vorgeschichte:

Ein 33-Jähriger stand kürzlich wegen Wiederbetätigung vor Gericht. Grund war ein hasserfülltes Posting im Internet, in dem er die NS-Zeit zurücksehnt und erklärt, er würde als „erster Heizer in Mauthausen“ zur Verfügung stehen. Das Verfahren endete mit einem Freispruch für den Angeklagten – und einer Anklage gegen seinen Verteidiger.
Der Anwalt – der zuvor in erster Linie mit Zivilrechtssachen befasst war – hatte in seinem Schlussplädoyer nämlich unter anderem dargelegt: „Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasungen und Verbrennungen stattgefunden haben. Was man seinerzeit in Mauthausen zu Gesicht bekommen hat, ist eine sogenannte Gaskammer, die nachträglich eingebaut wurde. Unbekannt ist, ob dort jemals eine Gaskammer vorhanden war.“

Danach führte er noch kurz aus, dass in der Tötungsanstalt Hartheim Vergasungen erwiesen seien, im Konzentrationslager Mauthausen nicht.
Mit der Causa wurde der Weisungsrat im Justizministerium befasst – ein unabhängiges Gremium, das Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) Anfang des Jahres installiert hat, damit es ihn in Weisungsfragen berät. Um den Ruch politischer Einflussnahme zu neutralisieren, erklärte er, sich an die Empfehlungen des Gremiums stets halten zu wollen.
In der gegenständlichen Causa, die dem Weisungsrat als „Fall außergewöhnlichen Interesses“ vorgelegt wurde, entschied der Beirat, dass die Staatsanwaltschaft Wels zurückgepfiffen und die Anklage eingestellt gehört.
„In einem anderen Zusammenhang können diese Aussagen sehr wohl eine gröbliche Verharmlosung der Gräuel des Nationalsozialismus darstellen“, sagt Werner Pleischl, Vorsitzender des Weisungsrats im Gespräch mit dem STANDARD, „doch dieser Anwalt ist noch nie durch rechtes Gedankengut aufgefallen, und er hatte die Aufgabe, jemanden wegen einer wesentlich gröberen Aussage zu verteidigen.“ Darüber hinaus sei das Plädoyer verschriftlicht im Protokoll eineinhalb Seiten lang, nun betroffen seien wenige Sätze. Der Impetus des Pflichtverteidigers sei bestimmt nicht die Leugnung des Holocausts gewesen, sagt Pleischl. „Ich bin überzeugt, er wäre in einem Strafverfahren dafür nicht verurteilt worden.“
Viele sind da anderer Meinung: Die Grünen bezeichnen die Aufhebung der Anklage als „inakzeptabel und unverständlich“ und haben bereits eine parlamentarische Anfrage zum Thema angekündigt. Das Mauthausen Komitee Österreich und antifaschistische Netzwerke sprechen vom „Abwürgen“ eines berechtigten Verfahrens und von „Verharmlosung“.
Am Dienstag [1.11.] hat sich dann das Justizministerium selbst eingeschaltet: Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion, erklärte im Ö1-Morgenjournal er halte die Entscheidung des Weisungsrates für falsch. Der Fall hätte vor einem Geschworenengericht entschieden werden müssen. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) meldete sich via Facebook: „Es ist für mich inakzeptabel, dass Massenmord und Gaskammern im größten Konzentrationslager Österreichs geleugnet werden.“
Minister Brandstetter verteidigt hingegen die umstrittene Entscheidung des Weisungsrats: Sie sei „vertretbar und plausibel“, wenngleich klar sei, „dass ich mit solchen Entscheidungen keine Freude habe“, äußerte er sich am Mittwoch vor dem Ministerrat zur Causa.

In der von Generalprokurator Werner Pleischl vorgetragenen Begründung des Weisungsrates für seine Empfehlung hieß es, der Verteidiger habe ein oder zwei Sätze gesagt, die historisch falsch sind, aber nicht den Holocaust an sich geleugnet“. Und was steht im Gesetz?

3h Verbotsgesetz lautet:

Nach § 3g wird auch bestraft, wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, daß es vielen Menschen zugänglich wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu rechtfertigen sucht.

Die Menschenvernichtung in Mauthausen zu leugnen ist zwar – da mag der Generalprokurator Recht haben – keine „Leugnung des Holocaust an sich“, aber das Verbotsgesetz sieht wortwörtlich die Bestrafung von Personen vor, die „auf eine Weise, daß es vielen Menschen zugänglich wird“ den NS-Völker­mord „oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlich­keit leugnet“ oder „gröblich verharmlost“. Was soll die Infragestellung der Gaskammer in Mauthausen denn sonst sein?
Ein Verteidiger, der auf diese Weise die Interessen seines Mandaten zu wahren versucht, schießt nicht übers Ziel hinaus, wie der Herr Generalprokurator meint, sondern identi­fiziert sich mit der strafbaren Handlung seines Mandaten und gehört daher selbst auf die Anklagebank!

 

75 Jahre Überfall Hitler-Deutschlands auf die UdSSR

Vor 75 Jahren, am frühen Morgen des 22. Juni 1941, überfiel Hitler-Deutschland mit drei Millionen Soldaten, viertausend Panzern und zweieinhalbtausend Flugzeugen die Sowjetunion. Teil des mit beispielloser Brutalität geführten Vernichtungskriegs gegen den „jüdischen Bolschewismus“ waren der millionenfache Massenmord an der sowjetischen Zivilbevölkerung, in erster Linie Jüdinnen und Juden, durch die Einsatzgruppen von Sicherheitspolizei und SS und an mehr als drei Millionen gefangenen Rotarmisten durch die Deutsche Wehrmacht.

Die sowjetische Führung unter Stalin hatte den Krieg durch die Modernisierung der Ausrüstung der Roten Armee vorbereitet. Der Massenterror der vorangegangenen Jahre, dem allein 40.000 Offiziere zum Opfer gefallen waren, hatte die Verteidigungsfähigkeit des Landes jedoch beträchtlich geschwächt; die Konzentration der Entscheidungsgewalt auf eine einzige Person hatte dort katastrophale Folgen, wo diese – wie Stalin in den ersten Kriegsmonaten – fatale Fehlentscheidungen traf. Erst unmittelbar vor Moskau konnte der deutsche Vormarsch gestoppt werden.

Der Heldenmut von Millionen sowjetischer Soldaten, die einen zunächst fast aussichtslos erscheinenden Abwehrkampf führten, und eine gewaltige Welle des Engagements der sowjetischen Zivilgesellschaft, die nicht auf „Befehle von oben“ wartete, verhinderten den von den Nazis bereits für die ersten Wochen erwarteten Zusammenbruch der UdSSR. Es war ein Lied, in dem alle Überzeugungen, Gefühle und Hoffnungen zusammenflossen, die die sowjetische Gesellschaft zu diesem mörderischen Kraftakt befähigten: Ein religiös gefärbter, trotziger Patriotismus, der an die in der russischen Bevölkerung nach wie vor lebendige Erinnerung an die Abwehr Napoleons 1812 anknüpfte, vermengte sich mit der Überzeugung, einen Abwehrkampf gegen die faschistische Barbarei im Interesse der ganzen Menschheit zu führen. Dieses Lied, „Swjaschtschénnaja Wojná“ („Der Heilige Krieg“) wurde erstmals vom 300-köpfigen Rotarmisten-Ensemble am 26. Juni 1941 vor dem Weißrussischen Bahnhof in Moskau gesungen, von wo aus Freiwillige an die Front fuhren. Es wurde so etwas wie die Hymne der Sowjetischen Armee. Mit diesem Lied beginnen wir unsere Gedenkveranstaltung am 18. Juni um 18 Uhr in der Volkshochschule Hietzing.

Gedenkfahrt nach Engerau

Sonntag, 17. April 2016: 16. Gedenkfahrt nach Engerau / Bratislava-Petržalka

Die Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz führt jedes Jahr eine Gedenkfahrt zu den Gedächtnisorten des ehemaligen Lagers für ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter in Engerau (Petržalka) in Bratislava durch, wo Hunderte Häftlinge von – meist Wiener – SA-Männern und Gestapobeamten ermordet wurden. Der KZ-Verband Wien ist seit drei Jahren Mitveranstalter dieser Gedenkfahrt.
Vor der Gedenkfeier beim Mahnmal auf dem Friedhof in Petržalka (11 Uhr) findet in diesem Jahr beim ehemaligen Teillager „Leberfinger“ im Aupark die Enthüllung eines Gedenksteines für die Opfer des Lagers Engerau, errichtet von der Stadtgemeinde Bratislava statt (9.30 Uhr).
Weitere Gedenkveranstaltungen in Österreich folgen am Nachmittag: Wolfsthal (13 Uhr) und Bad Deutsch-Altenburg (16 Uhr).

Treffpunkt: 7.45 Uhr, Praterstern/Ecke Heinestraße
(Rückkehr nach Wien ca. 18 Uhr)

Anmeldung:
E-mail: claudia.kuretsidis@nachkriegsjustiz.at oder telef. im DÖW (22 89 469 / 315)

Details auf der Web-Site der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz

Richard Wadani im Gespräch

Kritik, Widerstand und Solidarität als Lebensprinzip: Richard Wadani im Gespräch

Unser Jour fixe findet im April nicht am dritten Mittwoch des Monats in der Lassallestraße statt, sondern wird durch eine gemeinsame Veranstaltung mit der Alfred Klahr Gesellschaft am Tag vorher im „Siebenstern“ ersetzt: Der Wehrmachtsdeserteur und politische Aktivist Richard Wa­dani im Gespräch mit Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann, Dr. Magnus Koch und Dr. Lisa Rettl.

Dienstag, 19. April, 19 Uhr, Kulturcafé 7Stern, Sie­bensterngasse 31, 1070 Wien)

Details auf der Web-Site der Alfred Klahr Gesellschaft